Der Burgwald gilt nicht gerade als besonders orchideenreich. Er beherbergt nur wenige Arten und diese kommen meist nur in relativ geringer Anzahl vor. Eine Ausnahme davon ist das Breitblättrige Knabenkraut, welches, neben wenigen Exemplaren im zentralen Burgwald, auf zwei Wiesen im NSG Krämersgrund nahe Mellnau ausgesprochen große Bestände mit mehreren hundert Pflanzen bildet. Diese Vorkommen sind zur Blütezeit in jedem Frühjahr das Ziel vieler Blumenliebhaber und Naturfreunde.
(Bitte die Wiesen nicht betreten!)
Dabei lassen die Massen von Blüten nur allzu leicht vergessen, dass auch diese Orchideenart in der jüngeren Vergangenheit dramatische Bestandseinbußen erleiden musste. Als Hauptursache für das Verschwinden vieler Orchideen-Populationen wird neben der Entwässerung von Feuchtgebieten der übermäßige Eintrag von (Stickstoff-) Düngung in die Standorte vermutet. Auch das Zuwachsen von Flächen durch die natürliche Sukzession (Gehölzaufwuchs) nach Aufgabe von traditionellen Bewirtschaftungsformen lässt den oft nur wenig schatten-toleranten Arten auf Dauer keine Chance.
Eine zusätzliche Gefahr für die Pflanzen geht (auch im Burgwald!) außerdem von so genannten Orchideen-Liebhabern aus, welche die Blumen in der Natur ausgraben, um zu versuchen, sie im heimischen Garten anzusiedeln. Dieses Bemühen ist allerdings meist vergeblich und zudem strafbar!
Manche Knabenkräutern lassen sich häufig nur schwer voneinander unterscheiden, da viele Arten auch noch Variationen und Unterarten ausbilden. Dazu neigen die Orchideen als entwicklungsgeschichtlich "junge" Pflanzenfamilie zur Bildung von Hybriden (Kreuzung zweier Arten), was eine genaue Artansprache zusätzlich erschwert.
Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum)
Über manche Funde muss man sich tatsächlich wundern - so wurde im Mai 2024 nahe Mellnau am Rande eines Feldweges dieses einzelne Exemplar einer Bocks-Riemenzunge gefunden!
Laut AHO kommt diese Orchideen-Art im gesamten nordwestlichen Teil Hessens nicht vor. Zwar scheint sie sich im Zuge des Klimawandels inzwischen weiter in nördliche Richtung auszubreiten, doch als eher kalkholde und wärmeliebende Art ist sie in der Burgwald-Region eigentlich nicht zu erwarten. Vielleicht hat hier ortsfremdes Material aus früheren Wegebau-Maßnahmen für einen potentiell geeigneten Untergrund gesorgt?
Violette Stendelwurz (Epipactis purpurata)
Erst seit kurzem kennen wir im südlichen Burgwald einige wenige Standorte mit einzelnen Exemplaren der Violetten Stendelwurz.
Diese Orchideenart zeigt an ihrem Stängel und auch teilweise an den relativ schmalen Blättern eine leichte rötliche Tönung. Ihre Haupt-Blütezeit liegt im Vergleich zu unseren anderen heimischen Orchideen erst spät im Jahr im August.
Die Rote Liste Deutschlands führt die Art in der Vorwarnliste (V).
Schwertblättriges Waldvögelein (Cephalanthera longifolia)
Es macht sich einfach immer bezahlt, mit offenen Augen durch den Burgwald zu gehen.
Aufmerksame Naturfreunde aus dem Wohratal entdeckten im Frühling 2020 am östlichen Rand des Burgwalds ein hübsches Exemplar eines Schwertblättrigen Waldvögeleins.
In den einschlägigen Verbreitungskarten ist diese seltene Orchideenart für den Burgwald bislang noch nicht vermerkt, so dass mit diesem Fund hier möglicherweise der Erstnachweis gelang.
In der Roten Liste Hessens wird die Art als "gefährdet" (3) geführt, die Rote Liste Deutschlands führt sie als eine Art der Vorwarnliste (V).
Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine)
Die Breitblättrige Stendelwurz ist in Deutschland noch relativ weit verbreitet und in ihrem Bestand noch nicht gefährdet. Auch im Burgwald kennen wir inzwischen mehrere Standorte.
Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis)
Rote Liste Hessen 2019: "gefährdet" (3); Rote Liste BRD 2018: Art der Vorwarnliste (V)
Fuchs' [Geflecktes] Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii [maculata])
Entlang von Forstwegen und auf mageren Feuchtwiesen findet sich im Burgwald vereinzelt das schlanke und bis 50 cm hoch wachsende Fuchs' Knabenkraut/Fuchs' Fingerwurz. Seine Blüten sind meist blass violett gefärbt und besitzen eine Zeichnung aus Strichen und Punkten. Nur schwer vom Fuchs' Knabenkraut (D. fuchsii) zu unterscheiden ist das Gefleckte Knabenkraut (D. maculata), teilweise werden die beiden Namen sogar synonym verwendet. Inzwischen geht man entgegen früherer Annahmen davon aus, dass in Hessen nur das Fuchs' Knabenkraut, nicht aber das Gefleckte Knabenkraut vorkommt.
Auch albinotische Exemplare lassen sich vereinzelt finden.
Rote Liste Hessen (2019) (= D. fuchsii): Art der Vorwarnliste (V); Rote Liste Deutschland (2018): "gefährdet" (3).
Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha)
Diese Art wurde im Burgwald bislang nur sehr vereinzelt gefunden.
Rote Liste Hessen (2019): Art der Vorwarnliste (V); Rote Liste BRD 2018: "gefährdet" (3).
Die Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis) wächst im Gegensatz zu den lichtliebenden Orchideen-Arten in schattigen, frischen Wäldern, gerne unter Buchen. Die Pflanze betreibt keine Photosynthese und besitzt keine grünen Blätter oder farbige Blüten. Durch ihre blasse weißliche bis hellbraune Färbung wird diese nicht seltene Art besonders auf altem Laub leicht übersehen.
Nicht selten lassen sich neben den frischen Pflanzen noch die vertrockneten Samenstände aus dem Vorjahr finden.
Erst seit Frühling 2012 besitzen wir Kenntnis von einem kleinen Bestand des Großen Zweiblattes (Neottia/Listera ovata), den ein aufmerksamer Naturfreund im zentralen Burgwald entdeckte. (Danke nach Schönstadt!)
In 2013 konnte erstmals ein Vorkommen des Großen Zweiblatts auf einem von der Aktionsgemeinschaft angepachteten und im Sinne des Naturschutzes gepflegten Grundstück nachgewiesen werden. Inzwischen ist dieser Bestand auf mehrere dutzend Exemplare angewachsen. Das Zweiblatt wächst hier direkt neben der Einbeere.
Generell gilt das Große Zweiblatt in Hessen nicht als selten. Die Pflanze besitzt für eine Orchidee relativ weit gefasste Standortansprüche, so dass sie in unterschiedlichen Biotopen gedeihen kann. Allerdings dürfte sie durch ihren unscheinbaren Wuchs und grüne Färbung in der Vegetation leicht übersehen werden.
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